Das türkische Kino hat keinen wirklich guten Ruf. Kein Wunder, bestimmen doch in erster Linie die übelst zusammengeschusterten und zusammengeklauten Trashfilme mit Cüneyt Arkin das Bild, dass im Okzident über den türkischen Film vorherrscht. Sicher, es gibt einige gute Arthouse-Filme, oder halbwegs brauchbare Genre-Ware aus den 60er Jahren wie "Kilink"-Reihe. Aber diese stellen doch eher die Ausnahme, denn die Regel dar. Und daran hat sich auch bis ins (nicht mehr so) neue Jahrtausend nicht wirklich viel geändert. Sicher, die Budgets wurden höher, die Technik anspruchsvoller, und man klaute auch nicht mehr alles, was nicht niet- und nagelfest war, aber die Filme blieben auch weiterhin für westliche Gemüter eher ungoutierbar. Von daher nahm ich die Ankündigung, dass auf den Fantasy Filmfest: White Nights mit "Baskin" das erste Mal ein Beitrag aus der Türkei dabei sein würde, eher zwiespältig auf. Türkei? Horrorfilm? Für jemanden, der sich freiwillig an jüngeren Vertretern dieser Gattung, wie z. B. "Siccin" oder der unerträglichen "D@bbe"-Reihe versucht hatte, klang das erst einmal nach Kopfschmerzen. Aber so wie man den Tag nicht vor dem Abend loben soll, sollte man keinen Film verreissen, bevor man ihn gesehen hat.
Denn wenn Regisseur Can Evremol etwas nicht gemacht hat, dann einen schlechten Film. "Baskin", die Langversion seines gleichnamigen Kurzfilms von 2013, ist ein wirklich guter, und optisch ansprechender Horrorfilm geworden, der dem Rest des zeitgenössischen türkischen Kinos meilenweit voraus ist. Visuell stark angelehnt an die Filme eines Nicolas Winding Refn, nimmt Evremol seine Protagonisten (und die Zuschauer) mit auf einen langsamen Abstieg in die Hölle. Parallelen zu Filmen wie Clive Barkers "Hellraiser" oder auch Paul W.S. Andersons "Event Horizon" sind durchaus vorhanden, und wohl auch gewollt, denn Evremol versucht erst gar nicht, die Filme, die ihn beeinflusst haben, zu verbergen. Besonders seine Liebe für das italienische Horrorkino der späten 70er/frühen 80er Jahre tritt sehr offen zu tage, wie z. B. in der Szene, in der Yavuz (Muharrem Bayrak) sein Augenlicht verliert. Nicht nur erinnert diese Szene an die berüchtigte "Holzsplitter"-Szene aus Fulcis "Woodoo", nein, die Musik zitiert auch stark Riz Ortolanis Score aus "Cannibal Holocaust".
Storytechnisch erfindet "Baskin" das Rad also nicht wirklich neu. Aber ein guter Filmemacher kann auch aus einer eher flachen Geschichte einen guten Film machen, und genau das tut Evremol hier. Ist die erste Hälfte des Films noch stark dialoglastig, und bringt uns die durch Lokalkolorit und urtürkische Klischees gezeichneten Charaktere näher, zieht der Regisseur in der zweiten Hälfte stark an der Spannungsschraube, um schlussendlich die Blutdusche aufzudrehen. Unterstützt wird die unheilvolle Atmosphäre durch die wunderbare Filmmusik von Ulas Pakkan (alias JF), die gekonnt eine Gratwanderung zwischen klassischer Orchestrierung und einem 80er Jahre Synthesizer-Score hinlegt. Aber ein Film lebt nicht nur von seiner Geschichte und seiner Inszenierung, sondern auch von seinen Darstellern, und hier erweist sich der Kleinste als der Grösste. Denn der unbestrittene Star in "Baskin" ist der Darsteller des "Baba", des Vaters – Mehmet Cerrahoglu. Man könnte jetzt natürlich sagen, dass das einzig und allein seinem Makeup geschuldet ist, nur – der Mann trägt kein Makeup! Durch eine Laune der Natur sieht der Mann (der eigentlich als Parkplatzwächter arbeitet) wirklich so surreal aus.
Can Evremol ist mit "Bakin" ein gelungenes Langfilmdebüt gelungen, das nicht nur aus dem Wust türkischer Genreproduktionen heraussticht, sondern durchaus internationalen Produktionen Paroli bieten kann. Wenn er nicht, wie so viele andere ausländische Regisseure, dem Ruf Hollywoods und der Remake-Falle erliegt, könnte hier ein ganz Großer heranwachsen.
"Baskin" erscheint von Caeplight völlig unzensiert auf DVD und Blu-ray und darf auf technischer Ebene voll und ganz überzeugen. Das vorliegende Mediabook ist streng limitiert und wie immer sehr hochwertig verarbeitet. Auf einem On-Sert befinden sich wie üblich FSK-Kennzeichen, Logos und weitere Werbeangaben. Die eigentliche Mediabookfront ist weitgehend frei von unnötigen Logos. Lediglich das Blu-ray- und DVD-Logo befindet sich noch auf der Front, könnte aber in Zukunft ruhig auch wegfallen. Wer das Mediabook nicht möchte, kann sich den Film auch als Keepcase-Variante auf Blu-ray bzw. DVD kaufen.
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