(Fièvre, FR 2014)
Fever
Regie: Romain Basset
Drehbuch: Romain Basset, Karim Chériguène
Spezialeffekte: David Scherer
Freigabe: ab 16 Jahre (beantragt)
Genre: Horror, Fantasy
Kamera: Vincent Vieillard-Baron
Musik: Benjamin Shielden
Produzent: Arnaud Grunberg, Jean-Michel Montanary, Patrice Girod, Olivier Piasentin
Länge: 92 Minuten (ungekürzt)
Dt. Start: Videopremiere
Cast: Lilly-Fleur Pointeaux, Catriona MacColl, Murray Head, Gala Besson, Fu'ad Aït Aattou, Vernon Dobtcheff, Philippe Nahon, Joe Sheridan, Emmanuel Bonami, Shane Woodward, Nathan Willcocks, André Kobtzeff
Tief verborgene Ängste, die sich in Alpträumen so stark manifestieren, bis die Grenze zwischen Fantasie und Realität zu verschwinden scheint und der so Gepeinigte nicht mehr zwischen Wach- und Schlafzustand unterscheiden kann - ein Ausgangs-Szenario, dass zu den Ur-Ideen des Horror-Genres gehört.
Dass sich Regisseur
Romain Basset - gemeinsam mit
Karim Chériguène auch für das Drehbuch verantwortlich - damit bei seinem ersten Langfilm auf so traditionelles, wie riskantes Terrain wagte, musste ihm bewusst gewesen sein. Mit
Catriona MacColl in der Rolle der Mutter besetzte er eine Ikone des Horror-Films, die eine unmittelbare Linie zu den
Lucio Fulci-Klassikern
"Ein Zombie hing am Glockenseil" (1980),
"Über dem Jenseits" (1981) und
"Das Haus an der Friedhofsmauer" (1981) zog, in denen sie jeweils die weibliche Hauptrolle verkörperte. Die Grenzüberschreitung von real zu irreal lässt sich besonders in
"Über dem Jenseits" nachvollziehen, der in seinem ständigen Wechsel zwischen den Wahrnehmungsebenen als Vorbild für
"Horsehead" gedient haben könnte.
Doch während sich die parallele Ebene im Horror-Film meist erst langsam offenbart - häufig gegen den Widerstand des Protagonisten - wählte
Basset eine offensive Herangehensweise. Jessica (
Lilly-Fleur Pointeaux) kennt ihre Alpträume nur zu genau, unter denen sie seit ihrer Kindheit leidet. Sobald sie in einen tiefen Schlaf versinkt, taucht ein überdimensionaler Pferdekopf auf, dessen bedrohlicher Gestus auf eine tief verborgene schreckliche Erfahrung hinzuweisen scheint. Um diesem Phänomen näher zu kommen, hat sie ein wissenschaftliches Studium begonnen, in dem sie unter der Anleitung ihres Professors zu lernen versucht, dem Geheimnis innerhalb ihrer Träume näher zu kommen.
Für ihre dominante Mutter (
Catriona McCall), die mit ihrem Lebensgefährten (
Murray Head) in der ländlichen Heimat lebt, aus der Jessica stammt, ist das nur unseriöser Hokuspokus. Sie hält ihr Verhalten für ein Zeichen tiefer Depressionen, unter denen auch ihre Mutter ein Leben lang litt. Als diese sich durch einen Fenstersturz selbst tötet, begegnen sich Jessica und ihre Mutter aus Anlass der Beerdigung erstmals nach längerer Zeit wieder - jeweils von unterschiedlichen Dämonen geplagt. Während Jessica entdeckt, dass ihre Großmutter offenbar von ähnlichen Alpträumen wie sie geplagt wurde, versucht ihre Mutter, sie vor dem gleichen Verfall in geistige Umnachtung zu bewahren. Oder will sie nur verhindern, dass ihre Tochter die Wahrheit entdeckt?
Als Jessica deshalb beginnt, mittels Schlafmitteln tiefer und länger in ihre Träume einzudringen, böte sich ein klassisches Horror-Szenario geradezu an. Doch erneut wählte
Basset eine eigenständige Variante. Von der ersten Szene des Films abgesehen, verzichtete er fast vollständig auf klassische Schreckensmomente und blieb auch hinsichtlich der Gewaltdarstellungen zurückhaltend. Viel mehr lag sein Schwerpunkt auf einer optischen Umsetzung, mit der er zunehmend die Grenzen zwischen Traum und Realität verwischte. Musik, Farben, Licht und die Architektur - innen wie außen - komponierte er gekonnt zu einer surrealen Gedanken-Landschaft, die sehr langsam die Geheimnisse der Vergangenheit offenbart und bei der nie sicher ist, was real oder irreal ist.
Dass es sich bei
"Horsehead" um ein Erstlingswerk handelt, ist angesichts der professionellen Machart keinen Moment zu spüren. So erstaunt es auch nicht, dass die französische Produktion in einer englischsprachigen Originalversion vor einem US-Hintergrund spielt. Trotz dieser offensichtlich auf den internationalen Markt abzielenden Strategie blieb
Basset seinem individuellen Stil treu. Sowohl die nicht an Erklärungen interessierte Erzählform, als auch das ruhige Tempo widersprechen heutigen Sehgewohnheiten und verlangen vom Betrachter einiges ab, um sich in die so komplexe, wie reizvolle Welt des jungen Regisseurs einzufinden. Belohnt wird er dafür mit einer Atmosphäre, die zunehmend das Grauen eines ewigen, scheinbar unentrinnbaren Alptraums geradezu körperlich fühlbar zu vermitteln vermag.