Es gibt Filmreihen, die, nüchtern betrachtet, niemals über den ersten Film hätten hinauskommen dürfen.
"V/H/S", eine Anthologie, die auf einer Idee des "Bloody Disgusting"-Machers
Brad Miska basiert, war das filmische Äquivalent einer Barrage von Tritten gegen den Kopf. Man bekommt Kopfschmerzen, es wird einem übel, der Unterhaltungsfaktor hingegen geht gegen Null. Der Film war eine zusammenhangslose Aneinanderreihung von kurzen Segmenten im "Found Footage"-Stil, die man bereits Minuten, nachdem man sie sah, wieder vergessen hatte. Eigentlich hätte die Geschichte hier enden können, aber irgendwie schaffte es
"V/H/S" doch in gewissem Maße erfolgreich zu sein. So erfolgreich, dass
Miska und Co. schon kurz darauf eine Fortsetzung,
"S-V/H/S" ankündigten. Nun, jeder, der in den 80er und 90er Jahren groß wurde, kennt die Problematik – die Kopie einer VHS-Kassette ist niemals so gut wie das Original. Deswegen waren die Erwartungen an das Sequel auch nicht allzu groß, eher sogar nicht vorhanden. Doch, oh Wunder – ganz so wie das titelgebende System Super-VHS eine bessere Bildqualität bot als das normale VHS, so war S-V/H/S seinem Vorgänger in allen Belangen überlegen. Eine halbwegs (wenn auch immer noch extrem dünne) Rahmenhandlung, und Episoden, die quer durch die Bank als gut zu bezeichnen waren. Schon alleine das Segment "Safe Haven" von
Gareth Evans rechtfertigte die Existenz von
"S-V/H/S" voll und ganz.
Die Erwartungshaltung war also auch relativ hoch gesteckt, als der dritte Teil der Reihe, der potentielle Trilogie-Ender
"V/H/S: VIRAL" angekündigt wurde. Auf dem Papier liest es sich auch sehr gut, denn für die Regie konnten diesmal
Gregg Bishop (
"Dance of the Dead"),
Marcel Sarmiento (
"Deadgirl"),
Justin Benson &
Aaron Moorhead (
"Spring") und
Nacho Vigalondo (
"Timecrimes") gewonnen werden. Doch kann der Film überzeugen, und Appetit auf mehr machen, oder sollte das Franchise lieber den Weg ihres Titelgebers gehen, und in den Annalen der Geschichte verschwinden?
Die Rahmenhandlung, "Vicious Circles" steuert diesmal
Marcel Sarmiento bei, der vor ein paar Jahren mit seinem recht ungewöhnlichen Mix aus Coming of Age-Tale, Liebesgeschichte und Zombies,
"Deadgirl", bei den Fans punkten konnte. Man sollte meinen, dass es für ihn ein einfaches sein sollte, ein in sich geschlossenes und stimmiges Wraparound-Segment zu schaffen, doch leider setzt auch er den Trend, den die ersten beiden Teile vorgaben, fort, und erzeugt eher ungläubiges Kopfkratzen denn Bewunderung. Zwar versucht
Sarmiento so gut es geht, den titelgebenden Aspekt des "viralen Videos" einzubauen, aber es wirkt alles ein wenig zu gestelzt und gequält. Auch setzt er zu sehr auf elektronische Störelemente, starkes Bildrauschen, digitale Artefakte und analoge Störungen (die bei digitalen Kameras, die hier benutzt werden, eigentlich kaum auftauchen sollten), was wie weiland bei
"V/H/S" schnell nervt, so dass man sich die erste reguläre Episode herbeiwünscht. So reduziert sich
Sarmientos Segment leider nur auf zwei Sachen, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen (wenn auch aus verschiedenen Gründen) – eine extrem schmerzhafte Begegnung nackter Füße mit Asphalt, und eine Nacktszene, die bei den meisten Zuschauern wohl eher Entsetzen auslösen dürfte ...
Für die erste Episode des Films holte man
Gregg Bishop an Bord, der vor ein paar Jahren mit der Zombiekomödie
"Dance of the Dead" von sich reden machte. Anscheinend arbeitet
Bishop gerne mit den gleichen Leuten zusammen, denn er brachte für
"Dante the Great" nicht nur einen Teil seiner Crew mit, sondern mit
Justin Welborn und
Greyson Chadwick auch zwei der Darsteller seines Erstlings.
Bishops Segment stellt einen ziemlichen Bruch zum bisherigen Konzept der
"V/H/S"-Reihe da. Waren die jeweiligen Episoden bisher immer rein im Gebiet des "Found Footage" angesiedelt, und stellten rohe, unbearbeitete Aufnahmen dar, so fällt
"Dante the Great" mehr in den Bereich einer Mockumentary. Die Geschichte, über einen Möchtegern-Zauberer, der einen magischen Umhang findet, und es so zum gefeierten Illusionisten bringt, wird in einem Mix aus Interview- und Backstage-Segmenten und einer handvoll Aufnahmen von Überwachungs- sowie privaten Kameras erzählt. Die Geschichte ist relativ flach, und erinnert von der Aufmachung mehr an ein Hit-Piece der Boulevardmedien (wenn auch mit einem angetackerten FF-Ende), wird aber relativ kurzweilig erzählt. Und
Justin Welborn, den meisten wahrscheinlich am besten aus
"The Signal" bekannt, spielt den titelgebenden Zauberer gewohnt "arschlochig".
Segment Nummer 2,
"Parallel Monsters" stammt vom wohl profiliertesten Filmemacher, den
"V/H/S: VIRAL" aufzubieten hat –
Nacho Vigalondo.
Vigalondo gilt als einer der besten Regisseure, die Spanien momentan aufzubieten hat, und wird gerne mit
Alex De la Iglesia in einem Atemzug genannt, obwohl die beiden doch recht unterschiedlich sind. Denn wo bei
De la Iglesia das humorvoll-bizarre im Vordergrund steht, so ist
Vigalondo doch mehr in der Science Fiction zuhause. Egal ob Zeitreisen (
"Timecrimes"), Außerirdische (
"Extraterrestre") oder Internet-Stalking (
"Open Windows"), irgendwie läuft bei
Vigalondo immer alles auf die ein oder andere Weise auf SF heraus. Und so ist es auch kein Wunder, dass auch seine Episode für
"V/H/S: VIRAL" trotz einer definitiven Zugehörigkeit zum Horrorgenre in der SF verankert ist.
Gustavo Salmeron spielt einen Forscher, der eine Maschine entwickelt hat, mit der man in ein Parallel-Universum reisen kann. So weit, so gut, möchte man meinen, vor allem da es den Anschein hat, als wäre in diesem anderen Universum alles einfach nur spiegelverkehrt. Von daher sieht der Forscher auch kein Problem darin, mal eben für 15 Minuten die Seiten, besser gesagt, die Universen mit seinem Doppelgänger zu tauschen. Um es kurz zu machen –
Nacho Vigalondo hat mit
"Parallel Monsters" das
"Safe Haven" dieses Films geschaffen. Er schafft es innerhalb der mit knapp 20 Minuten relativ eng gesetzten Laufzeit des Segmentes, uns einen Einblick in eine doch recht andersartige Welt zu bieten, und dabei sogar, im Gegensatz zu den anderen Episoden des Films, wirkliche Spannung zu erzeugen. Doch trotz alldem lässt einen
"Parallel Monsters" doch ein wenig frustriert zurück, denn – irgendwie hätte man doch gerne ein wenig mehr von diesem Spiegeluniversum gesehen.
Und damit wären wir auch bereits bei der letzten Episode des Films,
"Bonestorm", von dem Regiegespann
Aaron Moorhead und
Justin Benson. Zu sagen, dass dieses Segment sehr schwachbrüstig ist, was die Story angeht, wäre noch untertrieben.
"Bonestorm" ist ein 99-Cent-Cheeseburger, ein schnelles "Vergnügen", das für einen kurzen Augenblick sättigt, bevor dann doch wieder das Magenknurren einsetzt. Ein paar jugendliche Skater, die wohl gerne die nächsten
Tony Hawks wären und eine Vorliebe für Marihuana pflegen, lassen sich und ihre "Tricks" von einem Kameramann filmen. Zunächst im heimischen Kalifornien, bevor man sich dann dazu entscheidet, nach Tijuana in Mexiko rüberzumachen, weil man da Alkohol kriegt und Feuerwerk kaufen kann. Und so enden sie schließlich komplett zugedröhnt, mit der 9mm im Hosenbund und der "GoPro" auf dem Kopf in einem mexikanischen Kanalbett. Nur – was machen die bleiche Tussi und das riesige Pentagramm da? Wenn man "GoPro" liest, kommt man nicht darum, eine Verbindung zu
"A Ride in the Park", dem "GoPro"-Segment aus
"S-V/H/S" zu ziehen, in dem ein Mountainbiker von Zombies angegriffen wird, und die Zuschauer dann den Rest der Geschichte aus seinem Blickwinkel sehen. Doch da enden auch schon die Vergleiche, denn wo
"A Ride in the Park" mit einer durchgehenden Story und viel Humor punkten konnte, bietet
"Bonestorm" nur dumme Teenager, schlechte Skateboardtricks, ein wenig Gore und Heavy Metal. Das ganze wirkt mehr wie ein Füll-Segment, was auch durchaus der Fall sein dürfte, da eine vierte Episode,
"Gorgeous Vortex" von
Todd Lincoln wegen angeblicher Probleme mit der Gesamtlaufzeit des Films herausgeschnitten wurde. Diese Episode befindet sich übrigens exklusiv in der streng limitierten Mediabook-Auflage von OFDb Filmwork, die am 24.3.2015 erscheint.
Und damit wären dann auch schon 81 Minuten um, und
"V/H/S: Viral" vorbei, und – hoffentlich – auch das
"V/H/S"-Franchise selbst. Insgesamt gesehen ist
"V/H/S: Viral" ein solider Genre-Beitrag, doch vieles, das den zweiten Teil ausgemacht und definitiv verbessert hat, wurde hier leider unter den Tisch fallengelassen. Ein sehr gutes Segment (
"Parallel Monsters") und ein ganz befriedigendes (
"Dante the Great") sind leider zu wenig, um zu sagen "Ja, doch, noch ein Teil wäre in Ordnung". Vor allem aber hat sich das Konzept, nicht das der Anthologie an sich, sondern der Bezug, das Gimmick des VHS-Systems erledigt und überholt. Konnte man bei
Teil 2 noch die Steigerung Super-VHS aufbieten, ging das bei Aufguss Nummer 3 nicht mehr. Um aber eine Entwicklung vorzugaukeln, wurde krampfhaft versucht die Geschichte mit den gefundenen VHS-Filmchen (die aber bereits technisch gesehen keine mehr sein konnten) in ein Internet-Korsett namens "virale Videos" zu stecken. Was bleibt ist ein kleiner, unterhaltsamer Film, mit dem man knapp anderthalb Stunden totschlagen kann, und der dank
Vigalondos Segment einen würdigen Abschluss der
"V/H/S"-Trilogie darstellt.