Lucio Fulci: dieser Name steht bei den Genrekennern in erster Linie für harte Horrorfilme und Splatter-Effekte. Wer kennt nicht wenigstens vom Titel her Filme wie "Ein Zombie hing am Glockenseil" oder "Der New York Ripper"? Keiner hat es bisher geschafft, bei den deutschen Zensurbehörden soviel Kopfschütteln und Verbote auszulösen, wie dieser Mann. Doch das Schaffen von Lucio Fulci geht über seine Zombiefilme weit hinaus. In den letzten 50 Jahren hat er die Filmindustrie bis zu seinem Tod mit vielen Beiträgen aus jedem Filmgenre geprägt: Western, Erotik, Komödie, Abenteuer, Fantasy und Horror. Dieses Buch durchleuchtet zum ersten Mal in deutscher Sprache wirklich alle seine Arbeiten. Sämtliche Filme werden von Anfang bis Ende vorgestellt, durchleuchtet und analysiert. Neben einer Biographie wird auch sehr stark auf die Zensur seiner Familie, auf alle deutschen Veröffentlichungen mit Schnittberichten und auf die Ursachen seines Erfolges eingegangen. Unzählige Farbbilder mit teilweise sehr seltenen Motiven runden das ganze Buch noch ab.
(Inhaltsangabe der Veröffentlichung entnommen)
2001, etwa 5 Jahre nach dem frühzeitigen Tod des Regisseurs, Produzenten und Drehbuchautors
Lucio Fulci, wurde ihm von
Andreas Bethmann eine Retrospektive seines Schaffens gewidmet.
Bethmann, zur damaligen Zeit Herausgeber des Genre-Magazins X-Rated und Leiter des namentlich ahnlichen Video-Labels, hatte mit ebenjenen Projekten im deutschsprachigen Raum bereits Aufklärungsarbeit über den italienischen Phantastik-Film geleistet und so manchen
Fulci-Film nicht nur vorgestellt, sondern auch veröffentlicht. Darüber hinaus sind die hauseigenen Filmprojekte des Autors häufig von südeuropäischen Genregröβen von
d'Amato über
Franco bis hin zu ebenjenen
Fulci beeinflusst gewesen.
Fulci selbst ist vor allem durch seine prägende Arbeit im Zombie-Genre bekannt, die vom typischen, US-beeinflussten Reißer (
"Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies",
"Zombie III") bis hin zum vielschichtigen Gruselschockers (
"Ein Zombie hing am Glockenseil" und das titelgebende
"Über dem Jenseits") reicht. Während die damalige Kritik wenig gutes an
Fulcis ausufernden Zelluloid-Gewaltorgien fand, ergötzt sich der Horror-Fan seit langem an der selten subtilen, aber doch effektiv grusligen Stimmung der Filme.
Bereits im Vorwort legt der Autor Wert darauf,
Lucio Fulci nicht nur auf seine Zombie-Filme festzulegen, die lediglich einen Teil seiner Karriere ausmachten - wenn auch einen sehr wesentlichen. Die kurz gehaltene Biografie beginnt tatsächlich mit Dokumentarfilmen, Regieassistenzen und frühen Komödien, mit denen
Fulci bereits in den 1940er Jahren begann. Leider beginnt die darauf folgende Filmografie erst mit Werken, die unter alleiniger Regie
Fulcis entstanden. Vermutlich hatte der Autor keinen Zugriff auf frühere Filme aus
Fulcis Filmografie, sind diese doch nahezu ausnahmslos nicht in Deutschland erschienen und auch im Ursprungsland Italien schwer aufzutreiben.
Die Filmvorstellungen werden jeweils mit Stabangaben eingeleitet, denen eine Inhaltsangabe und ein paar Gedanken bzw. auch Einschätzungen zum Film folgen. Generell gilt, dass der Textblock umso größer ausfällt desto relevanter das Werk für das Horrorgenre ausfällt: Ein
"Die Geisterstadt der Zombies" wird beispielsweise auf drei Doppelseiten abgehandelt, während die vergleichsweise unbedeutende Kriminalkomodie
"Colpo Gobbo All'Italiana" lediglich eine Drittel Seite einnimmt. Vielen Reviews ist aber gemein, dass das Verhältnis zwischen Inhalt und Hintergrundinformationen zu hoch ausgefallen ist. Ich bezweifle, dass man dem Leser den Inhalt derart detaillreich präsentieren muss, wie in diesem Buch geschehen. Es wäre ratsamer gewesen, zu abstrahieren und sprachlich nicht eindeutige Satzkonstrukte dabei gleich mit zu entwirren.
Damit ist auch einer der deutlichsten Fehler dieser Publikation genannt: Es fehlt das Lektorat. Bereits der

Klappentext enthält Fehler, die mit einfachen Mitteln, z.B. einem zweiten Drüberlesen, vermeidbar sind. Auch die "Analyse über den Erfolg der italienischen Untoten [...]" enthält mannigfaltige Stilblüten und wenig druckreife Formulierungen. Eine Schande ist es, dass der Verlag unfähig und unwillig ist, dort verbessernd einzugreifen, denn es schadet dem sonst guten Gesamteindruck des Buches erheblich.
Eben erwähntes Essay bietet interessante Gedanken zu den Unterschieden zwischen typischen US-Zombies und den von
Fulci ins Feld geführten Untoten, die, trotzdem der Text sehr tendenziös aufgebaut ist, sehr gut verdeutlichen, warum
Fulcis Zombies tatsächlich etwas Besonderes sind.
"Fulci 2000 - Der Medienboom" gibt einen historischen Überblick über wesentliche Veröffentlichungen des "Godfather of Gore" in Form von frühzeitigen und heute sehr gesuchten Super-8- und Videokopien, DVDs, Laserdiscs, Zeitschriftenartikel und Auftritten
Fulcis auf internationalen Fan-Treffen. Darin kommt vor allem die Auswertung durch verschiedene deutsche DVD-Labels zur Sprache: Trotz des noch jungen digitalen Heimkinozeitalters waren damals bereits eine Vielzahl an Filmen verfügbar. Dieses Kapitel ergänzt jenes über deutschsprachige Videofassungen von
Fulci-Filmen, welches neben Cover-Abbildungen, Laufzeiten und Angaben über die Bildqualität auch passende Schnittvergleiche enthält. Diese tauchen allerdings bereits im Filmografie-Teil bei den entsprechenden Titeln auf, wo sie fehlplatziert erscheinen.
Bei der Bebilderung glänzt
"Über dem Jenseits" mit Unmengen an Originalmaterial, welches zu großen Teilen aus dem internationalen Kinoprogramm beschafft wurde und den Text hervorragend ergänzt. Nur äußerst selten mussten Bilder aus einem Videotape extrahiert werden, die durch ihre geringere Qualität auffallen.
Bethmanns Meinung zu den vorgestellten Filmen ist, falls er diese einbringt, nachvollziehbar. Besonders das Vertreten nonkonformer Ansichten gefällt mir, denn einige interessante Filme gehen in Szenekreisen oftmals und unberechtigt unter. Einzig die der Filmografie vorangestellte Punktbewertung sämtlicher Filme, unterteilt in Kategorien wie Härte, Erotik, Qualität, Humor und weiteren, scheint mir etwas übers Ziel hinausgeschossen.
Trotzdem
"Über dem Jenseits" inhaltliche und äußerliche Schwächen aufweist und deswegen nicht durchweg den Ansprüchen an eine seriöse Publikation genügt, ist es im deutschsprachigen Raum bislang alternativlos. Dass
Andreas Bethmann auch ein wenig Werbung für seine eigenen Produkte unterbringt, fällt kaum negativ auf. Die selbst für
MPW-Verhältnisse überdurchschnittliche Bebilderung und der umfassende Ausblick auf das Schaffen des großen Filmemachers
Fulci machen es zu einer Pflichtlekture für Italo-Horror-Fans. Erschienen ist es in zwei unterschiedlichen Cover-Varianten.